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Der Sozialverband VdK ist der größte Sozialverband in Bund und Land. Rund 225 000 Mitglieder zählt die Organisation zurzeit in Baden-Württemberg, über 1,75 Millionen sind es deutschlandweit. Die Größe, Stärke und Bedeutung des Sozialverbands wurde einmal mehr deutlich beim 17. VdK-Landesverbandstag 2016 in der Liederhalle Stuttgart. Dort hatten vom 19. bis 21. Oktober knapp 200 stimmberechtigte Delegierte und weitere rund 100 Gastdelegierte teilgenommen. Zum Abschluss der alle vier Jahre in Stuttgart erfolgenden Großveranstaltung erwiesen zahllose Politiker, Repräsentanten großer Verbände, Selbsthilfeorganisationen und Einrichtungen, Präsidentin Ulrike Mascher und weitere Vertreter des VdK Deutschland sowie Vorsitzende und weitere Repräsentanten etlicher Landesverbände dem VdK Baden-Württemberg ihre Reverenz. Gemeinsam mit den Delegierten nahmen sie im vollbesetzten Mozartsaal an der Feierlichen Abschlussveranstaltung teil. Mit dabei war auch der neue Landessozialminister Manfred Lucha MdL (Bündnis 90/Die Grünen). Lucha hielt eine vielbeachtete sozialpolitische Rede, die auch mit viel Beifall bedacht wurde. Zugleich vertrat der Minister seinen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der an diesem Tag zu einem Pflichttermin nach Brüssel musste und daher seine bereits erteilte Zusage hatte zurückziehen müssen.
Plädoyer für gezielte Unterstützung
Manfred Lucha setzte sich in seiner sehr engagiert vorgetragenen Rede mit der Armut in Deutschland auseinander. Er plädierte dafür, gute Rahmenbedingungen für die selbstbestimmte Teilhabe aller zu schaffen. Jeder einzelne solle befähigt werden, seine Chancen zu nutzen. Die Menschen bräuchten Perspektiven, Aufstiegsmöglichkeiten und Verteilungsgerechtigkeit. „Nicht Mindestlohn ist unsere Sehnsucht, sondern die Überwindung prekärer Arbeitsverhältnisse.“ Es gehe nicht um Daueralimentierung sondern um gezielte Unterstützung, auch um die Überwindung von „vererbter Bildungslosigkeit“. Der Minister sprach sich unter anderem für gezielte Sachleistungen für Schulen, Ausflüge, Kulturangebote aus. Zugleich bemängelte er – ähnlich dem Sozialverband VdK – das bisherige Teilhabepaket der Bundesregierung. Es sei zu bürokratisch und zu wenig praktikabel, was auch der VdK kritisiert. Pauschale Steuererleichterungen, die zu monatlich 3 oder 4 Euro mehr im Geldbeutel der Steuerzahler führten, seien der falsche Weg, so Manfred Lucha. Das helfe nicht weiter. Wenn jedoch einer Kommune 300 Millionen Euro wegen einer Steuersenkung fehlten, könnten vor Ort keine unterstützenden Strukturen für bessere Rahmenbedingungen geschaffen oder fortgeführt werden. Dazu gehörten auch Mobilität und Verkehr vor Ort. Der Landessozialminister plädierte für eine offene, aktive Bürgergesellschaft, für Achtsamkeit und Respekt voreinander. Das sei nötig gegen Extremismus und ideologisches Herrenmenschentum.
Rentenpolitische VdK-Vorschläge
Der wiedergewählte Landesverbandsvorsitzende Roland Sing strich in seiner sozialpolitischen Rede die gesellschaftliche Stellung des VdK als Mahner heraus. „Wir vertreten viele tausende Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen und die dringend eine Stimme benötigen.“ Zugleich hob der Vizepräsident des VdK Deutschland hervor, dass es nicht Stil und Politik des VdK sei, nur zu kritisieren: „Wir machen auf allen sozialpolitischen Feldern jeweils konstruktive Vorschläge“. In diesem Zusammenhang erwähnte Sing die rentenpolitischen Vorschläge, die der Sozialverband VdK gerade auch im Bundestagswahlkampf 2017 erheben will. Der VdK werde bundesweit die rentenpolitische Debatte begleiten und seine Forderungen stellen:
Festschreibung des Rentenniveaus bei netto 50 Prozent, Abschaffung der Kürzungs- und Dämpfungsfaktoren, Wiedereinführung der früheren Rente nach Mindesteinkommen, Abschaffung der Abschläge in Höhe von 10,8 Prozent bei Erwerbsminderungsrenten, völlige Abschaffung des sogenannten Rehadeckels, Steuerfinanzierung der Mütterrente und weiterer Forderungen.
Langfristig müsse die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden. Denn, so Roland Sing: „Es darf nicht sein, dass zu kleine Renten künftig dazu führen, dass Menschen in die Grundsicherung fallen, obwohl sie lebenslang gearbeitet haben“. Im Übrigen werde dann Grundsicherung für Millionen von Bürgern und Bürgerinnen aus Steuermitteln bezahlt. Ein rechtzeitiges Gegensteuern werde dies aber verhindern können. „Jetzt Steuermittel einzusetzen für die Stabilisierung der Rentenversicherung wäre also besser, als später Menschen zu alimentieren und so auch ihre Würde zu nehmen.“
An die Adresse der Landesregierung erneuerte der Landesvorsitzende die Forderung nach Einführung eines Patienten- und Pflegebeauftragten in Baden-Württemberg. Zugleich würdigte er, dass es laut Koalitionsvertrag bald einen Demografiebeauftragten im Lande geben wird. Damit sei erfreulicherweise einer langjährigen VdK-Forderung entsprochen worden. Sing lobte auch die Berufung eines Landesbehindertenbeauftragten im Jahr 2011 – ebenfalls nach langem VdK-Drängen – und dankte dem kürzlich ausgeschiedenen Gerd Weimer für dessen fünfjährige Tätigkeit. Zugleich wünschte er dessen Nachfolgerin Stephanie Aeffner viel Kraft, Ausdauer und Erfolg bei der Arbeit.
Absage an Rente mit 70
VdK-Präsidentin Ulrike Mascher betonte in ihrer Grußbotschaft: „Eine der Kernforderungen des VdK, ‚Rente muss zum Leben reichen‘, hat nichts von ihrer Gültigkeit verloren, sie ist aktueller denn je“. Die jüngsten Zahlen zur Armut im Alter seien besorgniserregend. Vor allem ältere Frauen seien betroffen, da sie wegen Kindererziehung oder der Pflege eines Angehörigen kaum oder gar nicht in die Rentenkasse eingezahlt hätten. Zugleich erinnerte Mascher an die bundesweite monatelange VdK-Aktion gegen Armut bereits im Jahr 2008. Und sie lenkte den Blick auf durchschnittliche 594 Euro, die Frauen im Westen bei Rentenzugang im Jahr 2014 bekommen. Außerdem verwies sie auf das schon harte Los vieler Erwerbsminderungsrentner, die ebenfalls von zunehmender Altersarmut betroffen sind. Den jüngsten Vorschlägen aus den Reihen der Union, das Renteneintrittsalter schrittweise auf 70 Jahre anzuheben, erteilte sie eine scharfe Absage. Das sei lebensfremd. Es fehlten auch schlichtweg die Rahmenbedingungen. „Es ist doch schon schwierig genug, für Menschen, die über 60 sind, ihren Arbeitsplatz zu halten oder gar einen neuen zu finden“, beklagte die frühere Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium. Mascher verwies auf körperlich anstrengende Berufe und nannte ausdrücklich auch die Arbeit der Pflegekräfte sowie der Erzieherinnen und Erzieher. Wie Roland Sing schwörte Ulrike Mascher auf das Thema Rente für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf ein.
Die VdK-Präsidentin ging im Mozartsaal auch auf die große VdK-Kampagne „Weg mit den Barrieren!“ ein und stellte nochmals klar: „Zehn Prozent der Bevölkerung sind aufgrund von schweren körperlichen Beeinträchtigungen zwingend auf Barrierefreiheit angewiesen. Für weitere 30 bis 40 Prozent ist Barrierefreiheit erforderlich, zum einen wegen dauerhafter Einschränkungen, zum anderen wegen vorübergehender Handicaps, die sich auch in Form eines zu schiebenden Kinderwagens, eines Gipsverbandes am Fuß oder eines zu rollenden schweren Gepäckstücks zeigen können.“ In Zukunft werde das Thema weitere an Bedeutung gewinnen, prognostizierte Mascher. Außerdem strich sie in ihrer Ansprache heraus, dass es künftig mehr ältere Menschen, mehr Menschen mit Einschränkungen geben werde, die auf Barrierefreiheit angewiesen seien. Denn zu einem selbstbestimmten Leben gehöre „ganz klar“ ein barrierefreies Wohnumfeld. Und abschließend hob Ulrike Mascher hervor: „Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aller ist ein wichtiges Merkmal sozialer Gerechtigkeit – und sie betrifft jede und jeden.“
Grußworte
In ihren Grußworten würdigten Fraktionsvertreter des Stuttgarter Landtags Aufgaben und Wirken des Sozialverbands VdK in Bund und Land und lobten seine Rolle als mahnende Stimme benachteiligter Menschen. Für die CDU hatte Fraktionsvize Stefan Teufel MdL gesprochen, für die FDP der Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL und für die SPD der frühere Kultusminister Andreas Stoch. MdL Stoch plädierte für mehr Verteilungsgerechtigkeit, denn Angst schüre Extremismus.
Die Präsidentin des Landessozialgerichts, Heike Haseloff-Grupp würdigte den VdK-Sozialrechtsschutz und verwies auf eine Erfolgsquote von 47 Prozent bei durch den VdK vertretenen Klagen. Dank der kompetenten Arbeit der VdK-Sozialrechtsreferenten werde die Arbeit für die Gerichte leichter. Den Sozialverband VdK lobte sie als „Garant für die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips“.
Landesgeschäftsführer Hans-Josef Hotz appellierte in seinem Schlusswort an die politisch Verantwortlichen: „Wir fordern die Politik auf, dass sie die Probleme der Menschen versteht und ihnen sagt, wie sie denkt, diese Probleme lösen zu können. Die Demokratie muss zeigen, dass sie die Kraft hat, den sozialen Rechtsstaat immer wieder mit Leben zu erfüllen und für soziale Balance zu sorgen. Hotz dankte Sozialminister Manfred Lucha für die klaren Worte und sagte ergänzend: „Wir werden die Arbeit der Landesregierung an diesen Worten messen und, wenn notwendig, unsere mahnende und kritische Stimme erheben.“
Ehrungen
Bereits beim festlichen Abendessen nach der Arbeitstagung des Vortags würdigte Landeschef Roland Sing zwei verdiente Mitstreiter:
Georg Wiest, der seit vielen Jahren in ehrenamtlicher Funktion im Verband tätig ist, zudem jahrzehntelang auch als hauptamtlicher Sozialrechtsreferent und später als Bezirksverbandsgeschäftsführer wirkte, wurde zum Ehrenmitglied des Landesvorstands ernannt. Dort hatte Wiest vom Herbst 2012 bis Herbst 2016 als einer der Stellvertreter des Landesvorsitzenden fungiert. Nur wenige Tage vor dem Verbandstag war der 69-Jährige in die Bresche gesprungen und hatte – spontan zugeschaltet aus Tübingen – abends in der SWR-Landesschau die grundsätzlich positiven VdK-Positionen zum anvisierten Vorsorgekonto der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg erläutert. Landeschef Roland Sing würdigte Georg Wiests Fachkompetenz und verabschiedete seinen bisherigen Stellvertreter mit großem Dank und Präsent. Für Uwe Würthenberger, den Bezirksverbandsvorsitzenden von Südbaden und in dieser Funktion einer von drei Stellvertretern Sings, gab es die Goldene Ehrennadel des VdK Deutschland für große und langjährige Verdienste im Ehrenamt. Hier überreichte Roland Sing Ehrenurkunde und Präsent und Ulrike Mascher steckte dem Landesvize Würthenberger persönlich die Ehrennadel ans Revers.
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