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Sing fordert mehr Sozialverantwortung

Das Bündnis gegen Armut im Alter in Baden-Württemberg, dessen Gründungsmitglied auch der VdK Baden-Württemberg ist, hat Mitte Juli zum Fachtag Armut durch Pflege eingeladen. Zentrale Themen waren die akuten Mängel im Pflegesystem in Deutschland und dafür zu sensibilisieren.

Von Silvan Siefert , Mitarbeiter des VdK BadeN-Württemberg

Peter Schmeiduch vom Ministerium für Soziales bei seinem Vortrag.

Peter Schmeiduch vom Ministerium für Soziales bei seinem Vortrag.© Andreas Henke

"Pflege betrifft jeden, Betroffene, Angehörige aber auch die Beschäftigten im Pflegebereich", sagte Susanne Wenz, stellvertretende Landesbezirksleiter von ver.di Baden-Württemberg. Ziel des Fachtages sei es, die Zusammenhänge zwischen Pflege und Armut aufzuzeigen, "wenn Armut beginnt nicht erst im Rentenalter."

Nach dieser Konferenzeröffnung, lenkte Saskia Ulmer, 2. Vorsitzende des Landesfrauenrats, den Blick auf die Risikogruppe der Frauen. "Wenn wir über Maßnahmen sprechen, müssen wir die Schwächsten im Blick haben", hob sie hervor. Denn schließlich sind Zweidrittel der fast 300.000 pflegebedürftigen Personen in Baden-Württemberg Frauen. Auch in Pflegeberufen sind 68 Prozente der Tätigen weiblich.

Sozialministerium erhöht Budget

Am Vormittag stellte Peter Schmeiduch vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg die Ergebnisse und Umsetzung der 600 Handlungsempfehlungen der Enquetekommission Pflege vor. Er versicherte den Zuhörern, dass für die Landesregierung das "Thema nicht mit der Bundestagswahl geendet hat". Deswegen wurde auch von der Landesregierung für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 der Etat von drei Millionen auf sechs Millionen Euro erhöht. Neben der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission will das Land die Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Erwerbstätigkeit fördern, das selbstbestimmte Leben für Menschen mit Betreuungsbedarf zu Hause ermöglichen. Dafür ist eigens das Projekt Quartier 2020 ins Leben gerufen worden. Hier werden zukunftsorientierte und generationsübergreifende Wohnstrukturen vor Ort gefördert. Auch werde das Unterstützungsangebot für Menschen mit Demenz, die zuhause betreut werden, ausgebaut.

Diskussionsrunde mit (v.l.n.r) Roland Sing, Hilde Matthais (SPD), Romeo Edel (Moderator), Irene Gölz und Bernhard Schneider.

Diskussionsrunde mit (v.l.n.r) Roland Sing, Hilde Matthais (SPD), Romeo Edel (Moderator), Irene Gölz und Bernhard Schneider.© Andreas Henke

Moderator Romeo Edel, Wirtschafts- und Sozialpfarrer bei dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, moderierte die anschließende Podiumsdiskussion. Eine Bandbreite an Fragen und Anregungen wurden aus dem Publikum an Ministeriumsvertreter Peter Schmeiduch gestellt. Der Kreisverbandsvorsitzende von Esslingen, Wolfgang Latendorf, sprach sich im Zusammenhang mit der Sozialraumorientierung dafür aus, dass Menschen mit Betreuungsbedarf "so früh wie möglich in Strukturen gelangen, die es einem möglich machen selbstständig zu leben". Abschließend berichtete Monika Rügger, Frauenvertreterin aus Freudental, von ihren Erfahrungen mit den Missständen in der Pflege und forderte eine Stärkung der Pflege ein.

Strukturproblem Pflegeberuf

Irene Gölz, Landesfachbereichsleiterin Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen von ver.di Baden-Württemberg, zeigte am Nachmittag die Strukturproblem in den Pflegeberufen auf: Niedrige Löhne, hohes Arbeitspensum, kaum Fortbildungsmöglichkeiten und eine hohe körperliche und seelische Belastung zeichnen die Pflegeberufe aus. Eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist bei den wenig verlässlichen Arbeitszeiten kaum möglich. Hinzu kommt die hohe Teilzeitquote von 77 Prozent. Was tun? "Aufwerten und entlasten, mehr braucht man nicht", so Irene Gölz. Um die Kosten für besser bezahlte und qualifizierte Pflegeberufe bezahlbar zu machen, fordert sie "eine Vollversicherung für Pflegebedürftige bei der die Kosten durch die Solidargemeinschaft getragen werden."

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Der Forderung schloss sich Bernhard Schneider von der Initiative Pro-Pflegereform an. Er referierte über eine alternative Ausgestaltung einer Pflegevollversicherung. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Pflegeversicherung, damit die Pflegekosten für alle Pflegenden finanzierbar sind."

Belastung in der Pflege steigt

Im Anschluss erfolgten Erfahrungsberichte aus Sicht einer pflegenden Angehörigen, Gisela Vomhof, und einer Pflegekraft, Alexandra Özgül. Vomhof berichtete von den vielschichtigen Belastungen bei der Pflege eines Angehörigen. Sie muss mit Bedauern feststellen, dass es an Zuwendung, Zeit und Lebensqualität in der Pflege fehlt. Von den finanziellen Belastungen wollte sie erst gar nicht sprechen. "Pflege macht arm", das habe sie selbst bei ihrem Angehörigen miterleben müssen. Die Belastungen in der Pflege steige auch für die Pflegekräfte, weil mehr Patienten Hilfe benötigten.

Özgül, die seit 29 Jahren in der Altenpflege tätig ist, kenne aus ihrer langjährigen Berufserfahrung die Misere in der Altenpflege. Der Arbeitsdruck nehme von Jahr zu Jahr zu. Weniger gelernte Vollzeitkräfte, weniger Personal, eine schlechte Bezahlung und das alles bei einem höherer Pflegeaufwand und einer Dokumentationsplicht, die "irre Ausmaße" angenommen habe. Die Arbeitszeit reiche oftmals nicht aus, um alles zu erledigen und die Mehrarbeit gehe auf Kosten der Freizeit. "Zeit, um sich um die Bewohner zu kümmern, gibt es nicht mehr", mahnt Özgül.

Wie es in Sachen demografischer Wandel, Pflegeleistungen, Pflegepersonalmangel und Pflegeversicherung weitergehen soll, diskutierten anschließend Hilde Matthais (SPD) Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, und für das Bündnis Roland Sing, Landesverbandsvorsitzender des Sozialverbandes VdK sowie die Referenten Irene Gölz und Bernhard Schneider unter Leitung von Romeo Edel.

Für die Bundestagsabgeordnete, Matthais, ist "Pflege eine Frage der Gerechtigkeit". Sie plädierte für die Einführung einer Bürgerversicherung, damit Pflegebedürftige die Pflegekosten tragen können und nicht zu Sozialfällen werden. Einen wichtigen Ansatz sieht sie in der Sozialraumorientierung und dem Quartiersmanagement. Der "Quartiersbezug ist mir ein Herzensanliegen", so Matthais. Hier sind ihrer Meinung nach die Kommunen in der Verantwortung, denn "gute Versorgung im Alter ist ein Standortvorteil". Einen weiteren wichtigen Punkt sieht sie in der Notwendigkeit einer Aufwertung des Pflegeberufes und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Sing griff die Forderungen nach einem Paradigmenwechsel in der Pflegeversicherung nochmals auf. "Wir bewegen und sind der politischen Debatte derzeit in einem Raum eines falschen Systems", so Sing. Die Strukturprobleme seien Webfehler in einem falschen System. Der Landesverbandsvorsitzende sprach sich für die "Eingliederung der Pflegeversicherung in die Krankenversicherung ein. Damit wären alle Schnittstellenproblem beseitigt. Denn es "gibt keinen Pflegebedürftigen, der nicht behandlungsbedürftig ist", erinnerte der VdK-Chef.

Schneider erwartet konkrete und machbare Verbesserungsvorschläge sowie eine Steuerfinanzierung, um die Strukturprobleme in der Pflege schnell angehen zu können. Zudem spricht er sich dafür aus, dass "die Interessen der Pflegenden und Pflegekräfte nicht gegen einander ausgespielt werden dürfen“.

"Mehr Sozialverantwortung", wünschte sich Sing in der politischen Debatte. "Mit großer Sorge habe ich das Konzept der AfD im Sozialbereich gelesen“. Er mahnt zu einer wachsamen demokratischen und solidarischen Grundhaltung. Sehr deutlich sprach er sich dagegen aus, dass "die Kranken- und Pflegekasse nicht schon wieder geplündert werden, damit eine schwarze Null im Haushalt steht“. Die Leidtragenden solcher verfehlten Finanzpolitik seien die alle Pflegeversicherten und insbesondere die Pflegebedürftigen und Pflegefachkräfte. Sein Abschlussplädoyer lautete: "Pflege darf nicht arm machen."

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  1. Peter Schmeiduch vom Ministerium für Soziales bei seinem Vortrag. | © Andreas Henke
  2. Diskussionsrunde mit (v.l.n.r) Roland Sing, Hilde Matthais (SPD), Romeo Edel (Moderator), Irene Gölz und Bernhard Schneider. | © Andreas Henke

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