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Rollstuhlfahrer und Comedian zugleich: Tan Caglar

Der türkischstämmige Rollstuhlfahrer Tan Caglar reißt Witze rund um Rolli-Fahrer und ist bei unserer SBV-Schulung im Juli als Referent dabei. Im Interview erzählt er unter anderem über Reaktionen auf seine Comedy-Show.

Tan Caglar - Rollstuhlbasketballer und Comedy-Künstler wird bei der SBV-Schulung des VdK Baden-Württemberg als Referent auftreten.

Tan Caglar - Rollstuhlbasketballer und Comedy-Künstler wird bei der SBV-Schulung des VdK Baden-Württemberg als Referent auftreten.© Angela Wulf

VdK-Zeitung: Herr Caglar, Sie touren gerade mit Ihrem Comedy-Programm „Rollt bei mir..!“ durch Deutschland. Sie sagen, dass für Sie ein Auftritt einfacher ist, wenn der Moderator Sie vorher als Rollstuhlfahrer ankündigt. Wieso?
Tan Caglar:Ohne Ankündigung wäre es ein Schock für die Zuschauer. So ist es eine Vorwarnung. Einige Leute denken: ‚Ach das ist ja mal was anderes – ein Rolli-Fahrer, der Comedy macht.‘ Der Großteil denkt aber: ‚Ei, ei, ei – hoffentlich ist der auch lustig.‘

VdK-Zeitung: Spricht Ihnen das Publikum als Rollstuhlfahrer etwa den Humor ab?
Caglar: Nein, jeder Comedian muss damit kämpfen, beim Publikum zu bestehen. Bei mir ist es so, dass die Leute neben der Befürchtung. dass ich nicht witzig sein könnte, zusätzlich Angst haben, dass sie wegen meiner Behinderung alibi-klatschen müssen, weil ich als Behinderter vom Schicksal geschlagen bin (lacht).

VdK-Zeitung: Ich darf vorwegnehmen, dass der erste Witz Ihres Soloprogramms nicht auf Kosten von Rollstuhlfahrern geht. Wirkt das Publikum auf Sie dann erleichtert?
Caglar: Ja, das merkt man. Aber das ist grundsätzlich ein Phänomen mit Randgruppen. Es gibt beim Publikum eine starke Unsicherheit wie man humorvoll mit Randgruppen umgeht. Diese Unsicherheit versuche ich den Leuten mit meiner Art von Humor zu nehmen. Zum Beispiel, indem meine Witze über Rolli-Fahrer noch böser sind, als die Gedanken der Zuschauer über uns (lacht).

Tan Caglar ist 37 Jahre alt und mit der Krankheit Spina bifida (offener Rücken) zur Welt gekommen. Er ist Profi-Rollstuhl-Basketballspieler beim Erstligisten Baskets 96 Rahden. Er arbeitet als Motivationscoach unter anderem an der Medical School Berlin und tourt aktuell mit seinem Comedy-Programm „Rollt bei mir..!“ durch Deutschland. Beim Sozialverband VdK Baden-Württemberg wird er am 4. Juli 2018 bei der 16. landesweiten Schulung für Schwerbehindertenvertreter und Personalräte in Heilbronn auftreten. Der nächste Auftritt im Ländle wird am Dienstag, 27. März 2018 im Renitenztheater in Stuttgart sein. Weitere Termine: http://www.tan-caglar.de/

VdK-Zeitung: Dreht sich in Ihrem Soloprogramm alles nur um Rollstuhlfahrer?
Caglar: Nein, ganz und gar nicht. Das ist sicher eine Besonderheit bei mir, dass ich explizit über Rollstuhlfahrer Witze reißen kann, weil ich selbst einer bin. Aber ich will als Comedian gut sein, also für mein Handwerk als Stand-Up-Künstler bewertet und gesehen werden. Ich gehe nicht auf die Bühne, um die Leute zu belehren. So unromantisch das vielleicht klingt – ich gehe raus, um Leute zu unterhalten. Aber in der Show habe ich auch Zuschauer dabei, die ich für das Thema Inklusion sonst nicht erreichen würde. Auch ohne Zeigefingermentalität habe ich eine Verantwortung für das Thema Menschen mit Behinderung. Als Comedian möchte ich das positiv nutzen.

VdK-Zeitung: Wie finden Rollstuhlfahrer Ihre Comedy-Show?
Caglar: Die Resonanz von anderen Rollstuhlfahrern ist sehr positiv und sie sagen: ‚Tan, wir können nicht die ganze Zeit darüber lachen, was du sagst, aber du liest da eigentlich unser Tagebuch vor.‘ Und ganz ehrlich: Ich mache mich nicht wirklich über Rollstuhlfahrer lustig, sondern über Menschen, die mit Rollstuhlfahrern nicht umgehen können. Ich halte der Gesellschaft genaugenommen den Spiegel vor’s Gesicht: Seht her, so verkrampft geht ihr mit uns um. Das geht doch auch anders, oder?

VdK-Zeitung: Sie sind humorvoll, sportlich, spielen Profi-Rollstuhl-Basketball und sind auch Coach. Ist Ihnen im Leben alles zugeflogen?
Caglar: Überhaupt nicht. Ich hatte eine sehr depressive Phase, als klar war, dass ich dauerhaft im Rollstuhl sitzen werde. Mein Physiotherapeut hat mich damals gefragt, ob ich nicht Rollstuhl-Basketball spielen möchte. Dazu muss ich sagen, dass ich schon als Gehender professionell Basketball gespielt habe. Meine Antwort damals war etwas hochnäsig: „Ne, Du, danke. Auf fünf Behinderte, die sich gegenseitig den Ball an den Kopf stoßen, habe ich keinen Bock!“ Als ich dann aber Rollstuhlbasketball bei den Paralympics 2008 im Fernsehen gesehen habe, hat sich meine Meinung total geändert. Ich habe mit dem Training angefangen und heute spiele ich in der Rollstuhl-Basketball-Bundesliga. Der Sport war meine Rettung.

VdK-Zeitung: Barrierefreiheit ist ein wichtiges Thema des VdK. Wie erleben Sie den barrierefreien Zugang zur Bühne?
Caglar: Seit einem Jahr bin ich nun als Comedian unterwegs und ich habe noch nie eine Bühne erlebt, die barrierefrei war. Die meisten Bühnen sind vor Jahrzehnten erbaut worden. Daran kann man sehen, dass es damals nicht ansatzweise denkbar war, einen Rollstuhlfahrer auf die Bühne zu schicken. Schade ist, dass viele Engagements wegen der fehlenden Barrierefreiheit nicht zustande kommen. Dabei wäre es so einfach – man braucht nur ein paar Leute und schwups bin ich auf die Bühne gehoben. Aber vielleicht sind das Berührungsängste, die die Mehrheit der Gesellschaft erst einmal ablegen muss.

VdK-Zeitung: Wie geht es idealerweise für Sie weiter?
Caglar: Dass ein Behinderter mit Comedy auf die Bühne geht, hätte auch nach hinten losgehen können. Meine Agentur hat an mich geglaubt, wir haben es gewagt und bisher klappt alles sehr gut. Aber da ist noch Luft nach oben, das kann ich Ihnen sagen. Ich möchte dieses Standbein gern weiter ausbauen, denn Comedy ist einfach ein Multiplikator. Tabus zu brechen, ist in der Comedy ein wichtiges Element und das geht auch wunderbar mit dem Thema Behinderung! Und Humor ist die schönste Möglichkeit zusammenzukommen.

VdK-Zeitung: Herr Caglar, vielen Dank für das Gespräch und bis im Juli bei der SBV-Schulung des VdK in Heilbronn! Übrigens: Unsere Bühne für Sie ist dort barrierefrei zugänglich!
Caglar: Danke, ich freu’ mich auf meinen Vortrag bei Ihnen!

Das Interview führte Priya Bathe.

(Februar 2018)

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  1. Tan Caglar - Rollstuhlbasketballer und Comedy-Künstler wird bei der SBV-Schulung des VdK Baden-Württemberg als Referent auftreten. | © Angela Wulf

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