Gesundheit

Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung im Bundeskabinett beschlossen

Das Bundeskabinett hat am 31.08.2016 den Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung" (HHVG) beschlossen.

Pflaster doppelt geklebt
© Pixabay

Der Gesetzesentwurf verfolgt drei zentrale Ziele:

1. die Vergütung und Verantwortung der Heilmittelerbringer soll gestärkt werden
2. die Hilfsmittelversorgung soll verbessert werden
3. die Versorgung von chronischen Wunden soll verbessert werden, insbesondere durch Wundzentren

Zusätzlich werden die Unterstützung der Patientenverbände und der Schutz der Sozialdaten verbessert.

Grundsätzlich begrüßt der VdK die Initiative zur Verbesserung der Hilfsmittelversorgung sehr. Der Sozialverband VdK macht schon lange auf die Missstände in diesem Bereich aufmerksam. Der Erfolg der Reform bemisst sich daran, ob Patienten in Zukunft die Hilfsmittel für den vollen Behinderungsausgleich ohne Mehrkosten oder Widerspruchsverfahren bekommen. Dazu fehlt jedoch ein entscheidender Baustein: die Krankenkassen müssen die Anteile und durchschnittliche Höhe der Mehrkostenvereinbarung je Produktgruppe veröffentlichen. Dadurch könnte ein echter Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um gute Versorgung und nicht nur um die Höhe des Zusatzbeitrages entstehen.

Bei allen Verträgen, nicht nur den ausgeschriebenen, könnte die Rechtsaufsicht bereits heute prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Diese Möglichkeit muss genutzt werden.

Heilmittel

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität wird für die Vertragsabschlüsse im Heilmittelbereich aufgehoben, um die Kapazitäten an den steigenden Behandlungsbedarf anpassen zu können. Der VdK fordert dazu, dass in diesem Zusammenhang zuerst die Richtgrößen bei den verordnenden Ärzten aufgehoben werden. Bei festen Budgets führt eine höhere Vergütung der Heilmittelerbringer sonst zu weniger Leistungen für die Patienten.

Gleichzeitig muss die Heilmittelerbringung weiterentwickelt werden. So ist es beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum Menschen mit allen Symptomen eines diabetischen Fußes, aber ohne Diabetes, keine Podologie erhalten können, die sie vor Amputationen schützen würde. Die Verfahren zu Anerkennung neuer Arzneimittel im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) funktionieren nicht für die Heilmittel.

Hilfsmittel

Das Gesetz sieht eine Vielzahl von kleineren Änderungen im Hilfsmittelbereich vor, um die Versorgungsqualität zu verbessern und dem Sachleistungsprinzip wieder Geltung zu verschaffen. Vom Prinzip der Ausschreibungen wird aber nicht abgerückt.

Das Hilfsmittelverzeichnis soll Orientierung und Transparenz bieten, welche Produkte Leistung der Krankenkassen sein können. Es wurde allerdings in vielen Produktgruppen nicht regelmäßig aktualisiert, so dass es nicht mehr dem Stand der Technik entspricht und teilweise nicht mehr lieferbare Produkte enthält.

Der GKV-SV muss das Hilfsmittelverzeichnis bis zum 1.1.2019 grundlegend überarbeiten und bis zum 1.1.2018 eine Verfahrensordnung entwickeln, wie dies in Zukunft regelmäßig geschieht.

Der Preis darf nicht mehr alleiniges Zuschlagskriterium bei Ausschreibungen sein. Mindestens 40 Prozent müssen auf Kriterien wie Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung insbesondere für Menschen mit Behinderungen, Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferbedingungen sowie Betriebs- und Lebenszykluskosten entfallen.

Die Krankenkassen müssen den Versicherten auch im Rahmen von Ausschreibungsverträgen Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen mehrkostenfreien Produkten ermöglichen. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass der Ausschreibungsgewinner dem Versicherten mehrere mehrkostenfreie Produkte zur Auswahl anbietet, oder dass es mehr als einen Vertragspartner gibt (Mehr-Partner-Modell).

Der VdK sieht hierbei die Gefahr, dass die Qualitätskriterien so einfach gewählt werden, dass sie von allen Anbietern erfüllt werden und schlussendlich der Preis das einzige Unterscheidungskriterium bleibt. Wenn die Verträge im Hilfsmittelbereich nicht mehr Verträge zu Lasten Dritter sein soll, müssen weitere Rahmenbedingungen verändert werden:

1. Der angebotene Preis muss wirtschaftlich sein. Die Krankenkassen müssen im Rahmen des Vergabeverfahrens prüfen, ob sich mit dem abgegebenen Angebot die Kosten decken lassen. Ansonsten ist davon auszugehen, dass der Vertrag nur genutzt werden soll um Zugang zu den Patienten zu erhalten mit denen dann Mehrkostenvereinbarungen geschlossen werden. Solche Angebote sind abzulehnen.

2. Das Hilfsmittelverzeichnis muss dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Dieser Grundsatz muss im Gesetz verankert werden. Nicht nur nicht mehr lieferbare, auch nicht mehr dem Stand des technisch Möglichen entsprechende Produkte müssen gestrichen werden, denn viele Krankenkassen nutzen die Untergrenze des Hilfsmittelverzeichnisses als Ausschreibungsgrundlage. Daher sollte die kann-Regelung zum Einbezug medizinischer Fachgesellschaften und Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik eine „muss“-Regelung sein.

3. Das Recht auf vollen Behinderungsausgleich muss durchgesetzt werden. Der VdK begrüßt daher die möglichen Sanktionen gegen Leistungserbringer, die aufzahlungsfreie Hilfsmittel nicht anbieten, oder den vollen Behinderungsausgleich nur gegen Mehrkosten leisten (z.B. bei Hörgeräten). Gleiches gilt auch, wenn Sanitätshäuser den ärztlich festgestellten Bedarf (z.B. sieben Windeln pro Tag) einfach an ihre Versor-gungsstandards (5 Windeln pro Tag) anpassen. Bei angepassten Hilfsmitteln, wie Rollstühlen, sollten die Krankenkassen erst die volle Summe bezahlen, wenn das Hilfsmittel passt.

Gegenüber den Krankenkassen muss das Recht auf vollen Behinderungsausgleich auch durchgesetzt werden. Bisher übergeben sie mit Festbeträgen und Versorgungspauschalen die Verantwortung den Patienten bedarfsgerecht zu versorgen an die Leistungserbringer. Der Patient kann seine Rechte aber nicht gegen den Leistungserbringer durchsetzen, sondern hat nur Ansprüche gegen die Krankenkasse. Um Krankenkassen wirklich in die Verantwortung zu nehmen mehrkostenfreie Versorgung durchzusetzen, muss Transparenz über die Mehrkostenvereinbarungen geschaffen werden. Der Anteil und die durchschnittliche Höhe der Mehrkostenvereinbarungen je Produktgruppe müssen veröffentlich werden. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenkassen.

4. Das Mehr-Partner-Modell muss verpflichtend werden. Nur so kann es zu einem Wettbewerb der Leistungserbringer um gute Versorgung kommen.

5. Auch für Hilfsmittel die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil (§127 Abs. 1 Satz 4) braucht es verbesserte Regelungen. Die Rechtsaufsicht muss eingreifen, wenn Krankenkassen für diese Hilfsmittel Versorgungsverträge ausschreiben.

Bei Hilfsmitteln mit einem hohen Dienstleistungsanteil, wie Stomaversorgung, muss es Wahlfreiheit zwischen den Leistungserbringern geben. Solch eine intime Dienstleistung kann nicht durch die Krankenkasse vorgegeben und nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten alle zwei Jahre ausgetauscht werden. Auch bei der Inkontinenzversorgung ist ein Vertrauensverhältnis wichtig, das von zentralen Verteilerdepots nicht geschaffen werden kann. Dienstleistung und Produkt könnten getrennt werden.
Bei individuell angefertigten Hilfsmitteln muss es vertragliche Regelungen geben, wie eine notwendige Neuversorgung in laufenden Vertragszeitraum finanziert wird, zum Beispiel bei Gewichtsverlust von Rollstuhlfahrern. Dies muss auch den Patienten transparent gemacht werden.

Zuzahlungen
Für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel muss klargestellt werden, dass sie Zuzahlung nur einmal fällig wird. Neuerdings leasen Krankenkassen große Hilfsmittel und stellen den Versicherten eine Zuzahlung von 10 Euro zur monatlichen Leasinggebühr in Rechnung.

Unabhängige Beratung
Patienten brauchen eine Beratung, die von finanziellen Interessen unabhängig ist. Sie darf weder von der Krankenkasse, noch von dem Leistungserbringer, also dem Sanitätshaus oder dem Hersteller, erbracht werden.

Eine individuelle, passgenaue Hilfsmittelversorgung setzt eine qualifizierte Beratung voraus. Vor allem für angepasste Hilfsmittel, wie Prothesen, Rollstühle oder Beatmungsmasken, braucht es Spezialwissen. Es ist sicherzustellen, dass Kranken- und Pflegekassen sowie die öffentliche Hand unabhängige Hilfsmittelberatungsstellen finanzieren. Für seltene und individuell anzupassende Hilfsmittel sollten spezielle Berater aufsuchende Bera-tung anbieten. Für häufige, nicht angepasste Hilfsmittel, wie Windeln und Rollatoren, muss die Beratung wohnortnah und niedrigschwellig erfolgen. Medizinische Fachangestellt oder Pflegekräfte können den Arzt bei der Beratung zu Hilfsmitteln unterstützen. Diese und weitere Varianten von Hilfsmittelfachberatung könnten im Rahmen von Modellprojekten erprobt werden.

Schlagworte Heilmittel | Hilfsmittel | HHVG

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