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Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen

Unter bestimmten Umständen können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung unter 50 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden. Was bedeutet die Gleichstellung? Wir haben bei einer VdK-Expertin nachgefragt.

Rückenansicht einer Frau im Rollstuhl, sie befindet sich in einem Bürogebäude
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Auf einen Blick

  1. Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen

    Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Personen den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, bei denen "nur" ein Grad der Behinderung von 30 oder 40 festgestellt wurde. Dazu müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

  2. Auswirkung der Gleichstellung

    Gleichgestellte behinderte Menschen haben den besonderen Kündigungsschutz wie schwerbehinderte Menschen. Aber: Nicht alle Nachteilsausgleiche, die schwerbehinderte Menschen haben, gelten auch für gleichgestellte Menschen. Wer gleichgestellt ist, hat zum Beispiel keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. 

  3. Gleichstellung beantragen

    Betroffene, bei denen die Voraussetzungen für die Gleichstellung zutreffen, können einen Antrag bei ihrer Arbeitsagentur am Wohnort stellen. Man muss den Arbeitgeber nicht darüber informieren - er erfährt allerdings davon, wenn die Arbeitsagentur ihm einen Fragebogen zuschickt. 

Fragen und Antworten zum Thema Gleichstellung

Dazu muss man zunächst einmal wissen, dass man den Schwerbehindertenstatus bekommen kann, wenn ein Grad der Behinderung (GdBkurz fürGrad der Behinderung) von mindestens 50 festgestellt wurde und der Wohnsitz, Aufenthaltsort oder Arbeitsplatz rechtmäßig im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs Neun (SGBkurz fürSozialgesetzbuch IX) ist.

Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Personen den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, bei denen "nur" ein Grad der Behinderung von 30 oder 40 festgestellt wurde. Die Rechtsgrundlage für die Gleichstellung ist § 2 Abs. 3 SGBkurz fürSozialgesetzbuch IX in Verbindung mit § 151 Absatz 2 und 3 SGBkurz fürSozialgesetzbuch IX.

Betroffene, bei denen die Voraussetzungen zutreffen, können einen Antrag bei ihrer Arbeitsagentur am Wohnort stellen. Das kann mündlich, telefonisch oder schriftlich geschehen. Die Arbeitsagentur schickt den Antragstellern ein Formular zum Ausfüllen zu.

Auch der Arbeitgeber, der Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung bekommen einen Fragebogen zugesandt und können Stellung nehmen. Dann prüft die Arbeitsagentur, ob im jeweiligen Fall die Voraussetzungen für eine Gleichstellung vorliegen und eine Gleichstellung ausgesprochen werden kann.

Die gesetzliche Regelung besagt, dass eine Gleichstellung vorgenommen werden soll, wenn jemand infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten kann.

Es müssen aufgrund der entweder Wettbewerbsnachteile auf dem Arbeitsmarkt bestehen oder aber der Arbeitsplatz ist behinderungsbedingt gefährdet. Die Betonung liegt dabei auf "behinderungsbedingt", das heißt die Behinderung muss wesentliche Ursache für den Wettbewerbsnachteil oder die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses sein. Überdies muss der Arbeitsplatz "geeignet" sein. Das bedeutet, dass sich durch die Tätigkeit der Gesundheitszustand nicht verschlechtern darf.

Ein Beispiel: Man wird voraussichtlich einen Maurer mit schweren Wirbelsäulenproblemen nicht auf dem Arbeitplatz "Maurer" gleichstellen, denn hier droht eine Verschlimmerung der Krankheit. Wird der Mann aber im Betrieb umgesetzt und künftig zum Beispiel als Lagerverwalter eingesetzt, dann könnte er auf dem neuen und dann gesundheitlich geeigneten Arbeitsplatz durchaus gleichgestellt werden.

Die gleichgestellten behinderten Menschen haben den besonderen Kündigungsschutz wie schwerbehinderte Menschen. Überdies gibt die Gleichstellung Arbeitgebern Beschäftigungsanreize, denn Gleichgestellte werden bei den Pflichtplätzen im Zusammenhang mit der Schwerbehindertenquote mitgezählt und somit spart ein Arbeitgeber Ausgleichsabgabe.

Es gibt zudem zusätzliche Fördermöglichkeiten über die Integrationsämter oder örtlichen Fürsorgestellen. Gleichgestellte behinderte Menschen haben im Betrieb neben dem Betriebs- oder Personalrat mit der Schwerbehindertenvertretung eine zusätzliche Interessenvertretung.

Nein, nicht alle Nachteilsausgleiche gelten auch für gleichgestellte behinderte Menschen. Sie haben beispielsweise keinen Anspruch auf Zusatzurlaub, wie ihn schwerbehinderte Menschen haben. Auch haben gleichstellte Menschen keinen Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die ja zwei Jahre früher als die Regelaltersrente abschlagsfrei in Anspruch genommen werden kann.

Nein. Man muss den Arbeitgeber nicht darüber informieren. Er erfährt allerdings von der Antragstellung, weil die Arbeitsagentur ihm in der Regel einen Fragebogen zum Ausfüllen zuschickt.

Nein. Der Arbeitgeber hat gegen die Gleichstellungsentscheidung keine Anfechtungsmöglichkeit. Er ist nur "mittelbar betroffen" und die Gleichstellung greift nicht direkt in seine Rechte ein. Das hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 19. Dezember 2001 eingehend dargelegt (Aktenzeichen: B 11 AL 57/01 R).

Häufig lehnen die Arbeitsagenturen Gleichstellungsanträge von Beamten ab, da diese als "unkündbar" gelten. Grundsätzlich muss aber auch in diesen Fällen eine sorgsame Prüfung erfolgen, denn auch bei Beamten können die notwendigen Voraussetzungen für eine Gleichstellung vorliegen, zum Beispiel wenn behinderungsbedingt eine Versetzung in den Ruhestand droht.

Ja. Wenn jemand arbeitslos ist, einen GdBkurz fürGrad der Behinderung von 30 oder 40 hat und konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass eine Gleichstellung notwendig ist, um einen Arbeitsplatz zu bekommen, muss die Arbeitsagentur gleichstellen. Es muss aber kein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegen. Manchmal wird die Gleichstellung von den Arbeitsvermittler/innen auch aktiv als Vermittlungshilfe genutzt, denn durch die Gleichstellung werden besondere Förderleistungen eröffnet.

Ja und nein. Da bei Gleichgestellten bereits ein GdBkurz fürGrad der Behinderung von 30 oder 40 festgestellt worden ist, wird unter bestimmten Voraussetzungen ein zusätzlicher Pauschbetrag in der Einkommens- und Lohnsteuer gewährt. Das hat dann aber nichts mit der Gleichstellung, sondern allein mit der Behinderung und dem GdBkurz fürGrad der Behinderung zu tun.

Möglich ist der Pauschbetrag bei einer Behinderung, die die körperliche Beweglichkeit dauernd beeinträchtigt, zum Beispiel auch als Folge innerer Krankheiten oder einer Seh-/Hörbehinderung, oder bei einer Behinderung, die durch eine typische Berufskrankheit hervorgerufen wird oder zum Bezug einer Rente berechtigt.

Im Jahr 2002 führten die Arbeitsagenturen die "Zusicherung der Gleichstellung" ein. Gedacht war das Instrument als Erleichterung für arbeitssuchende Antragsteller/innen, damit diese im Bewerbungsverfahren flexibel auf die damals noch zulässige (tätigkeitsneutrale) Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderteneigenschaft reagieren konnten.

In der Praxis hat sich das Instrument nach Einschätzung des VdK nach allerdings nicht bewährt. Mittlerweile wird nach überwiegender Rechtsmeinung die arbeitgeberseitige Frage nach einer Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen (statusbezogen) als unzulässig und Diskriminierung angesehen. Damit entfällt der Vorteil einer Zusicherung.

Nach der fachlichen Weisung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg ist bei Vorliegen der Voraussetzungen seit Mai 2017 keine Zusicherung mehr, sondern grundsätzlich unmittelbar die Gleichstellung zu erteilen. Bestehende Zusicherungen behalten ihre Wirkung.

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