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Aus den Anfängen...

Karl-Heinz Grüter (Jahrgang 1927)
Eintritt in den VdK: Juni 1946

"Als Mitglied der ersten Stunde und durch ehrenamtliche Tätigkeiten hat Karl-Heinz Grüter den VdK von Beginn an unterstützt. Wenige Monate nach dessen Ehrung zur 70-jährigen Mitgliedschaft verstarb dieses verdienstvolle Mitglied. Wir sind dankbar, dass er uns seine Geschichte als Vermächtnis hinterlassen hat."

Ehrung 70-jähriges Jubiläum

Ehrung von K.-H. Grüter zum 70-jährigen Jubiläum im Dezember 2016© VdK OV Neuwerk/Lürrip

Karl-Heinz Grüter hat auch im hohen Alter von 89 Jahren ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Daten, Zahlen und Fakten. So erinnert er sich noch genau an das Mädchen, das er im Alter von 16 Jahren am Samstag, den 06.06.1944 im Krankenhaus Bethesda kennen gelernt hat. Als Arbeitsdienstler wegen Diphterie eingeliefert, war die 16-jährige eine Mitpatientin, mit der er sich gerne "vom Fenster zum Hof" etwas zurief; kleine Schäkereien doch später von großer Bedeutung.

Karl-Heinz Grüter Soldbuch 1

Soldbuch© VdK OV Neuwerk/Lürrip

Kurz darauf folgte für den 17-jährigen Karl-Heinz der Einberufungsbefehl. Im August 1944 ging es nach Lettland, deutsche Truppen waren längst auf dem Rückzug, die Russen auf den Fersen.
Am 09.11.1944 sorgte ein Beinschuss für seinen Transport nach Westpreußen, doch am 12.01.1945 ging es für Karl-Heinz Grüter wieder zur Front nach Lettland. Am 15.01.1945 stand der Russe in Danzig, doch wie so viele andere, ob jung ob alt, musste auch er die Heimat weiter schützen, wo längst nichts mehr zu schützen war, wo die militärische Sinnlosigkeit sich immer weiter offenbarte.

Am 20.03.1945 um 10.00 Uhr ging es zum Angriff auf die anrollende russische Panzerdivision – Karl-Heinz Grüter verlor durch eine Granate sofort ein Bein, das andere musste auch noch in einem deutschen Lazarett amputiert werden.

Entlassungspapier 1945

Entlassungspapier 1945© VdK OV Neuwerk/Lürrip

Am 10.05.1945 ging es auch für ihn in die russische Gefangenschaft. "Ich wurde von den Russen gut behandelt," erinnert er sich. Verlegt nach Berlin-Kolsdorf wurde er dort von seinem Vater geholt. "Mein Vater hat mich auf dem Rücken nach hause getragen." Wieder im heimatlichen Velbert angekommen, ging es im Februar 1946 zur Weiterbehandlung ins englische Lazarett nach Langenberg. Im August 1946 wurde er dort entlassen. "Meine erste Prothese erhielt ich am 09.08.1946, es war der Geburtstag meines Vaters", solche besonderen, einschneidenden Daten weiß Karl-Heinz Grüter ganz genau, in seinem Leben kreuzen sich immer wieder Daten und Ereignisse. Im September 1946 ging es dann mit den Prothesen zur Gehschule in Niedermarsberg (Sauerland). Zwischendurch sei er wieder bei seinen Eltern in Velbert gewesen, Anfang 1947 wieder in der Gehschule.

"Anfangs bin ich noch auf Knien zur Sprechstunde des VdK in Velbert gelaufen", erzählt er und er weiß auch noch ganz genau, wie es dazu kam und wo diese Sprechstunde war: "Der Leiter des Amts für Behinderte, Herr Wagner, hatte mich auf den VdK aufmerksam gemacht. Es waren ja immer wieder Anträge zu stellen, für Medikamente, für einen Rollstuhl. Einmal im Monat gab es vom VdK eine Sprechstunde in der Gaststätte "Zur Traube" auf der Friedrichstraße, dort wurde ich dann sofort Mitglied."

VdK Mitgliedsnachweis 1946

Mitgliedsbuch von K.-H. Grüter© VdK Mitgliedsbuch 1946

1974 - 1978 Beitragsmarken im Mitgliedsbuch

Beitragsmarken im Mitgliedsbuch von K.H. Grüter© Beitragsmarken Mitgliedsbuch

Zwei Mark pro Monat wäre der Mitgliedsbeitrag anfangs gewesen.

Wie geht ein so junger Mensch mit solch einer schweren Behinderung um, in einem Land, in dem selbst für Gesunde das Überleben schwer war, das Leben äußerlich und innerlich voller Trümmer? "Anfangs wollte ich mich umbringen, doch selbst das ging ja nicht", antwortet Karl-Heinz Grüter ehrlich.

Er sei immer sportlich unterwegs gewesen – Fußball spielen, Radfahren, Rollschuh laufen... all das vorbei, Hoffnung gleich null, tiefe Verzweiflung –

Wie soll das Leben nur weiter gehen?

"Aus Langeweile habe ich angefangen Postkarten zu schreiben." Eine dieser Karten adressierte er auch an das Mädchen aus dem Krankenhaus. Die war inzwischen 18 Jahre alt und schrieb tatsächlich zurück. Geschrieben habe er zwar von seiner Verwundung, doch habe er sich nicht getraut genau zu schreiben, was ihm passiert war. Doch über Verwandte erfuhr sie wohl die ganze Wahrheit. "12 Stunden war sie von Mönchengladbach bis Velbert unterwegs um mich zu besuchen und sie hat sich trotz allem für mich entschieden. Meine Schwiegereltern haben uns unterstützt." Am 17.08.1947 haben sie sich verlobt, im September 1948 geheiratet. "Im Oktober 1949 kam unser erstes Kind zur Welt und im Januar 1951 und März 1952 wurden wir wieder Eltern."

Als gelernter Schlosser fand er auch eine gute Anstellung. "Am 04.06.1947 nahm ich meine Arbeit als Schlüsselmacher bei der Firma BKS in Velbert auf. BKS ist ja sehr bekannt als Firma für Schließanlagen."

Am 31.05.1963 erfolgte der Umzug nach Mönchengladbach-Neuwerk "Meine Frau hatte Heimweh nach Mönchengladbach. Im Stadtteil Neuwerk konnten wir ein Haus bauen, dort fand ich auch gleich wieder bei Tuchfabrik Westmark eine Arbeit im technischen Büro." Bis 1982 hat er dort gearbeitet, seitdem ist er im Ruhestand.

Prompt folgten er und seine Frau natürlich auch sogleich im Jahr des Umzugs nach Neuwerk der Einladung zur Mitgliederversammlung des Ortsverband Neuwerk mit unerwarteten Folgen: Er wurde sofort als Schriftführer gewählt, Vorsitzender war Karl Fels, Stellvertreter Josef Fels. "Es war Jahreshauptversammlung, ein neuer Vorstand wurde gesucht, aber es hakte am Schriftführer. Da stand meine Ehefrau auf und sagte "Mein Mann macht das!" "Bist Du verrückt?", fragte ich, "wo ich so ungern schreibe." Doch meine Frau meinte nur "ich helf dir." Und so wurde ich Schriftführer."

Nach dem Tod von Karl Fels übernahm Willy Wyen das Amt des Vorsitzenden, Stellvertreter war nach wie vor Josef Fels. "Im Vorstand war damals auch Frau Schuh", erinnert er sich.

Schriftführer Karl-Heinz Grüter blieb bis 1982 im Amt, obwohl er bereits 1978 nach dem Tod der Ehefrau nach Grevenbroich umgezogen war. Trotzdem blieb er immer Mitglied in Neuwerk.

Gefragt nach der damaligen Mitgliederzahl des Ortsverbands Neuwerk meint er "Eine Busladung voll." Die Erklärung ist ganz einfach: Rund 50 Mitglieder zählte damals der Ortsverband, im Verhältnis viele Kriegswitwen, und alle waren bei dem jährlichen Vereinsausflug dabei, eben "eine ganze Busladung voll."

Die Pflege der Gemeinsamkeit hatte überhaupt hohe Priorität – auf Jahreshaupt- und Mitgliederversammlungen, bei "Weihnachtsfeiern" und auf Tagestouren. "Selbstverständlich mussten Vortouren für unsere Ausflüge statt finden und der erste Blick galt immer der Zugänglichkeit und Sauberkeit der Toiletten und ob auch die Rollstuhlfahrer in Lokale hinein kommen."

Holland wäre da immer schon viel weiter gewesen, meint er. Dort fände man in jeder Wirtschaft Behinderten-WC und überall wären behindertengerechte Zugänge. "In Holland sind die viel besser auf Körperbehinderte eingestellt wie wir." Deswegen hat er auch immer dort gerne seinen Urlaub verbracht. "Selbstverständlich wollten wir auch allen immer etwas schönes gönnen. Das Essen sollte auch immer gut sein und natürlich am Tisch serviert werden." Eigentlich für heutige Verhältnisse bescheidene Ansprüche – bis auf die Zugänglichkeit von Lokalen und Toiletten für Rollstuhlfahrer; hier scheint leider die Zeit fast still zu stehen. "Im Prinzip haben Körperbehinderte im Alltag in Deutschland die gleichen Probleme wie vor 40 Jahren", kommentiert Karl-Heinz Grüter den Vergleich zwischen diesen beiden Ländern.

"Wir hatten viel Spaß miteinander im Vorstand und waren untereinander gut befreundet. Das ging bis hin zu gemeinsamen Urlaubstagen in Holland", fügt er noch seinen Erinnerungen an die Vorstandsarbeit hinzu.

Karl-Heinz Grüters Geschichte ist so einzigartig, wie jeder Mensch einzigartig ist, und steht doch trotzdem stellvertretend für Viele.
Sie ist ein Beispiel für zerstörte Hoffnungen, tiefe Verzweiflung, Tatkraft, Hilfen und Liebe zum Leben.

Sie zeigt viel über das damalige Vereinsleben des VdK, wie wichtig die Gemeinschaft und die Pflege dieses Zusammenhalts war. Nicht mehr zeitgemäß? Scheinbar ja, doch in Wahrheit nötiger denn je.

(Das Gespräch fand aus Anlass der Ehrung zum 70-jährigen Jubiläum im Dezember 2016 mit der Vorsitzenden Dagmar Pardon-Neuenhaus statt, die den Bericht in Übereinstimmung mit Karl-Heinz Grüter verfasste.)


Als weiterer Zeitzeuge berichtet Hans Segschneider, Ehrenvorsitzender des Kreisverbandes Mönchengladbach, auf der Seite des Ortsverbands Odenkirchen; hier der Bericht:

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  1. Ehrung 70-jähriges Jubiläum | © VdK OV Neuwerk/Lürrip
  2. Karl-Heinz Grüter Soldbuch 1 | © VdK OV Neuwerk/Lürrip
  3. Entlassungspapier 1945 | © VdK OV Neuwerk/Lürrip
  4. VdK Mitgliedsnachweis 1946 | © VdK Mitgliedsbuch 1946
  5. 1974 - 1978 Beitragsmarken im Mitgliedsbuch | © Beitragsmarken Mitgliedsbuch

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