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Post-Covid-Syndrom: „Drei Jahre mit Beschwerden“

Von: Interview: Kristin Enge

Rund 2,5 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Post-Covid, sagt Professor Andreas Stallmach. Er ist Direktor der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Die VdK-Zeitung hat mit ihm gesprochen.

Eine Frau liegt erschöpft auf einer Couch unter einer Decke.
Betroffene fühlen sich oft zutiefst erschöpft und müde. © IMAGO / Westend61

Wie unterscheiden sich Long- und Post-Covid?

Professor Andreas Stallmach: Menschen sind an Long-Covid erkrankt, wenn sie vier Wochen nach der Infektion noch oder wieder Beschwerden haben, die durch andere Erkrankungen nicht zu erklären sind. Von Post-Covid – dieses ist die eigentliche medizinische Herausforderung – sprechen wir, wenn Beschwerden nach zwölf Wochen weiter bestehen. In den ersten Wellen lag der Anteil der Post-Covid-Patienten bei rund sieben Prozent. Aktuell gehen wir von einer Post-Covid-Rate von rund 0,5 Prozent aus. Veränderte Virusvarianten und eine deutlich verbesserte Immunität in der Bevölkerung bedingen diese. Ein erheblicher Anteil der rund 2,5 Millionen Erkrankten leidet seit mehr als drei Jahren unter den Beschwerden.

Welche Symptome sind typisch für Post-Covid?

Das typische Krankheitsbild gibt es nicht. Mehr als 200 verschiedene Symptome sind bekannt. Sehr häufig leiden die Betroffenen unter chronischer Müdigkeit beziehungsweise der Fatigue, Luftnot bei leichter körperlicher Belastung wie Treppensteigen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Gerade bei längeren Verläufen treten auch depressive Verstimmungen auf. Post-Covid ist aber kein eingebildetes Krankheitsbild.

Wovon hängt es ab, ob jemand erkrankt?

Frauen erkranken häufiger. Auch  Übergewicht und eine diabetische Stoffwechsellage sind Risikofaktoren. Zudem gilt: Je mehr Vorerkrankungen vorliegen, insbesondere funktionelle Beschwerden, unter denen Betroffene bereits vor ihrer Infektion litten, desto häufiger treten Post-Covid-Beschwerden auf. 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Zurzeit behandeln wir die Symptome, etwa mit physikalischer Therapie, Atemübungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsübungen. Das ist der beste Ansatz. Da die Erkrankung wahrscheinlich unterschiedliche Ursachen hat, wird es auch nicht einen Behandlungsansatz für alle geben. Aber wir werden wirksame Behandlungen, zumindest für einen Teil der Betroffenen, entwickeln.

Fatigue ist eines der Hauptsymptome. Was ist wichtig zu wissen?

Fatigue bedeutet eingeschränkte Energiereserven, der Akku ist nicht mehr voll. Es ist wichtig, mit dieser reduzierten Energie sorgsam verteilt über den Tag umzugehen und sich nicht zu überanstrengen. Sonst kann ein Crash drohen, auch post-exertionelle mailase genannt. Dieses ist eine zeitverzögerte Symptomverschlechterung nach nur geringer körperlicher oder geistiger Belastung. Das kann auch schon das Lesen eines Buches sein.

Welche Symptome lassen sich derzeit noch nicht gut behandeln?

Die Fatigue und die eingeschränkte Belastungsfähigkeit der Betroffenen stellen uns häufig vor große Probleme. Zurzeit gibt es keine kausale Therapie, die die Ursache der Erkrankung behandelt. Alle Behandlungsversuche zielen auf eine Besserung der Symptome ab. Dafür nutzen wir auch sogenannte „Off-Label-Use-Medikamente“, die eigentlich für die Therapie anderer Erkrankungen zugelassen sind.

Steigt das Risiko zu erkranken mit jeder weiteren Corona-Infektion?

Bei Betroffenen, die ein Post-Covid-Syndrom überwunden haben, kann nach einer erneuten Infektion wieder ein Post-Covid-Syndrom, manchmal sogar schwererer als das erste, auftreten. Eine gute Immunität, auch nach Impfungen, schützt vor Post-Covid. Die Wahrscheinlichkeit, LongCovid zu entwickeln, nimmt mit der Zahl der Infektionen ab.

Was raten Sie Betroffenen?

Nicht den Mut verlieren und möglichst positiv mit dem Krankheitsbild umgehen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen, etwa im Rahmen der Selbsthilfe, kann von Vorteil sein.

Sie leiten das Interdisziplinäre Post-Covid-Zentrum am UKJ. Welche Vorteile bietet dieses?

Post-Covid-Betroffene leiden unter ganz unterschiedlichen Symptomen. Da bietet die Bündelung der Kenntnisse aus verschiedenen Fachgebieten, etwa der Neurologie, der Psychiatrie oder Rehabilitationsmedizin, für viele Patientinnen und Patienten große Vorteile. Auch sozial- oder arbeitsmedizinische Beratungen sind manchmal sehr wichtig.

Post-COVID-Zentrum

Mehr Informationen zum Interdisziplinären Post-COVID-Zentrum auf der Website des Universitätsklinikums Jena:

Externer Link:www.uniklinikum-jena.de/cscc/Post_COVID_Zentrum-p-1398.html